Dienstag, 28. Mai 2013

Die Niers, 4 Schlösser, Fango und ein großes Loch KM 964

Der Himmel ist hellgrau, es regnet Bindfäden, das Thermometer müht sich an der 8°C, das Holz brennt und knistert im Kamin und verbreitet eine wohlige Wärme. Es ist…..nein nicht Herbst…Ende Mai 2013. Echt bescheidenes Wetter. Irgendwo in Bayern ist die Schneefallgrenze auf 700m abgesunken…verdient ist verdient. Nun ja, dann muss man sich eben an die kleinen Frühlingsintermezzi, die Petrus immer Mal wieder stundenweise einwirft, erfreuen. So geschehen am letzten Freitag. Morgens schon schien die Sonne von einem fast makellosen blauen Himmel. Die Temperatur erträgliche 14°C. Ein paar Stunden musste ich allerdings im Büro verbringen, aber um 14 Uhr habe ich dann meine Sachen gepackt und mich ins Wochenende verabschiedet.  Um halb vier saß ich dann endliche auf meinem Wild One, die Kette geschmiert, Trinkflasche gefüllt und 2 Äpfel im Ortlieb aber null Plan wo es denn lang gehen sollte. Also kurz den Finger in den Wind gehalten, die Richtung geprüft und los geht’s n den Süden. 

Ich wollte schon immer mal den oberen Nierslauf erkunden. Diesem kleinen Flüsschen wurde in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht nur der ursprüngliche Charakter geraubt, sondern auch noch die Quelle. Der Braunkohletagebau in Garzweiler hat nicht nur hier einschneidende Folgen nach sich gezogen. Aber dazu später mehr. 

Ich brauche nur zehn Minuten von zu Hause und schon kann ich auf einen schönen asphaltierten Weg im Schatten von Pappeln entlang der Niers radeln. Der Weg geht schnurgerade aus, das mag etwas langweilig erscheinen, aber die Landschaft bietet genug Abwechslung. Um in den Genuss des geteerten Weges zu bleiben muss mich aber mal kurz vom Flusslauf verabschieden und rolle durch ein kleines Industriegebiet in Neersen. Ich fahre an Koppeln vorbei und die Pferde beäugen mich argwöhnisch und bleiben in Distanz zu diesem komischen Gefährt. Nach ein paar hundert Metern sehe ich die Türme des Schloss Neersen durch die Baumwimpel lucken. Da werde ich einen Abstecher machen. Schloss Neersen ist ein barockes Wasserschloss, das heute das Rathaus der Stadt Willich beherbergt. Im Hof ist man bereits mit den Vorbereitungen der Neerser Schlossfestspielen zugegen; die Bühne ist schon aufgebaut. In den zugehörigen Parkanlagen kann man schön gemächlich über die Wege cruisen. Hier und da steht eine Skulptur und kleine Teiche runden das komplette Bild ab. 

Schloss Neersen

In Richtung Mönchengladbach geht es entlang einer Landstraße weiter. Der Radweg ist in einem üblen Zustand und fällt sehr stark zu einer Seite ab. Sehr unangenehm, wenn man in einem Trike sitzt, da man immer auf die eine Seite rüber rutscht und sich irgendwie festhalten muss. Aber dieser Abschnitt dauert zum Glück nicht lange und schon treffe ich wieder auf den Niersverlauf. Am Flughafen Mönchengladbach schlage ich mich seitwärts in die „Büsche“ und folge der Niers rechtsseitig. Hinter der Autobahnbrücke wird das Geläuf allerdings sehr tief. Der Regen der letzten Tage hat den Weg in ein Morastloch verwandelt. In einem kleinen Gang arbeite ich mich durch den Schlamm. Hier ist das Trike sicherlich nicht das geeignete Fortbewegungsmittel. Das was mir entgegenkommt scheint hier besser dafür geeignet zu sein…Pferde. Ich bleibe einfach stehen und lasse die beiden Vierbeiner passieren. Man merkt ihnen an, dass ihnen die Situation nicht geheuer ist…mir übrigens auch nicht. Ich sitze verdammt tief und habe die Hufe auf Augenhöhe und die tänzeln jetzt an mir vorbei. Die Reiter haben alle Hände voll zu tun, die Burschen im Zaum zu halten. Wie sich später herausstellt ist diese Seite der Niers, zwar kein ausgewiesener Reiterweg, aber er wird häufig dafür genutzt. Das nächste Mal werde ich die andere Seite nutzen; die ist auch in einem wesentlich besseren Zustand. Bei eine kleineren Brücke kann ich die Seite wechseln und schon geht es auch wieder besser voran.
Auf der linken Seite sehe ich ein weiteres schönes Gebäude; Schloss Myllendonk. Es ist ebenfalls ein Wasserschloss. In den weitläufigen Parkanlagen des Schlosses findet man eine 18-Loch Golfanlage…naja. Ich lasse das Schloss hinter mir und fahre weiter an der Niers entlang und plötzlich hört der Radweg auf und ich stehe an einer Bahnlinie; und jetzt? Ich biege nach rechts ab und sehe ein paar hundert Meter weiter eine Brücke über die Bahngleise führen. Ahh super….aber es gibt keinen Weg auf die Brücke…so ein Mist. Wie sich später herausstellt, hätte ich kurz hinter dem Schloss den Niersweg verlassen müssen, um auf diese Brücke zu kommen. Also bleibt mir nichts anderes übrig als entlang der Bahnlinie zu fahren und auf die nächste mögliche Über- bzw. Unterquerung zu warten. Kein schöner Umweg und zu guter Letzt lande ich dann noch in einer Sackgasse mitten in einem Industriegebiet. Ein kurzer Check auf der Karte und ich habe wieder einen Plan wie ich aus diesem Irrgarten herauskomme. Nach ein paar Minuten habe ich sie wieder, die Niers. Sie fliest hier durch ein kleines Waldgebiet und ich merke nicht, dass ich am nächsten Schloss vorbeifahre; Schloss Rheydt. Das nächste Mal werde ich hierhin einen kleinen Abstecher machen. 
Jetzt wird der Weg wieder schlechter. Ich muss Slalom zwischen großen Wasserpfützen fahren hier und da lässt sich das Durchfahren aber nicht vermeiden und die Vorderräder versinken fast bis zur Nabe im schlammig braunen Wasser. Ich bleibe einigermaßen trocken nur mein 26 Zoll Hinterrad schaufelt immer wieder Wasser, Schlamm und Sand in meinen Nacken…ich wollte es ja nicht anders. Auf Rheydter Stadtgebiet bekommt die Niers einen Flussverlauf, der wieder an einen Fluss und nicht unbedingt an einen Kanal erinnert. In leichten Bögen durchschneidet sie malerische Parkanlagen mit kleinen Teichen rechts und links. Eine Graugans, die ich beim Sonnenbaden gestört habe, faucht mich wütend an…auf Augenhöhe…schnell weg. 
Hier ändert sich plötzlich die Umgebung die Niers fließt nun durch ein Waldgebiet. An einem Abzweig entscheide ich mich für die falsche Alternative. Nach wenigen Metern wird der Weg immer schmaler. Ich mähe mich mit den Vorderrädern durch die Brennnesseln und der Weg wird zusehends morastiger. Immer öfter dreht das Hinterrad durch und mitten in einem Torfloch ist dann auch Feierabend. Ich muss absteigen und meine Schuhe versinken sofort im Matsch am Hinterrad ziehe ich das Wild One ca. 50 Meter durch den Morast bis ich wieder festen Boden unter den Füssen habe. Dicke Lehmkluppen hängen an den Schuhen und ich habe Schwierigkeiten wieder festen Halt auf dem Magnetklicksystem der Pedale zu bekommen. Das Hinterrad ist mindestens doppelt zu breit. Aber schön war es trotzdem durch den Urwald zu fahren. Und so urwüchsige Landschaft keine 300m von den Reihenhaussiedlungen entfernt.

Die Niers bei Rheydt



















Es wird eng




























Von Rheydt geht es weiter nach Odenkirchen. Hier fließt die Niers mitten durchs Stadtgebiet. Eingefasst in ein enges Betonkorsett. Entlang an schönen bürgerlichen Häusern. 
Ein Blick zum Himmel verheißt nichts Gutes. Überall ziehen stahlgraue Wolkenbänke auf und man sieht Regenvorhänge. Ich entscheide mich den Radweg entlang der Niers zu verlassen und südöstlich in Richtung der Wolkenlücken zu fahren, in der Hoffnung von den heftigen Regenschauern verschont zu werden. 

Die Niers in Odenkirchen
Ich fahre nach Hochneukirch, ein verschlafenes Dorf ohne nennenswerte Attraktionen. Ich fahre aus dem Dorf auf einer Strasse, die als Sackgasse ausgeschildert ist…warum den das????
Die Antwort bekomme ich circa 200m hinter dem Dorf. Urplötzlich tut sich eine 3m hohe Metallwand vor mir auf versehen mit Warnschildern. Ich kurve um die Absperrung und stehe unvermittelt vor einem Damm. Im Hintergrund sehe ich die Aufbauten eines großen Baggers über den Kamm ragen. Natürlich weiß ich was dahinter ist. Vor meinen Füssen tut sich ein riesiges Loch auf….der Braunkohletagebau Garzweiler. Hier wurde eine klaffende Wunde von unvorstellbarem Ausmaß die Landschaft geschlagen. Dort, wo dieser riesige Bagger sich unablässig durch das Erdreich wühlt, war früher das kleine Örtchen Holz. Nichts erinnert mehr daran. Der Ort wurde vor 5 Jahren an anderer Stelle komplett neu aufgebaut und die Einwohner dorthin umgesiedelt. Holz ist nur eines von vielen Dörfern und es werden noch einige Dörfer folgen. Bis 2045 wird hier weiter Braunkohle gefördert. Danach wird das Riesenloch mit Wasser aufgefüllt werden und ein riesiger See entsteht. Um einen Größenvergleich zu bekommen kann man sich das untenstehende Bild anschauen. Neben dem Abraumbagger parkt, kaum wahrnehmbar, eine Caterpillar-Raupe. Der Größenunterschied ist gewaltig; man glaubt kaum das dieses Loch an dieser Stelle mehr als einhundert Meter tief ist. Schwer beeindruckt verlasse ich diesen Ort und mach mich auf den Weg zurück nach Hochneukirch und biege in der Mitte des Dorfes in Richtung Westen ab. Der Weg führt mich jetzt am Rande des Baggerlochs; in ein paar Jahren muss auch diese Stelle den gefräßigen Ungeheuern weichen. 

Vor dem großen Loch














Der Blick 100 Meter tief















Panorama Rheinisches Braunkohletagebaugebiet

Der Blick nach Westen zeigt mir ein imposantes Wolkenschauspiel. Dunkelgraue Wolken durchbrochen von Sonnenstrahlen. Hier und da sieht man Regenvorhänge und auch in Richtung Heimat sieht es nach einem mächtigen Regenguss aus. Erst einmal muss ich sehen, dass ich wieder aus diesem Gebiet komme. In der Ferne sehe ich die A61; hier muss ich drüber und werde dann entlang der Autobahn nach Norden fahren. Bei Wanlo überquere ich Autobahn und fahre durch Wanlo und Wickrathsberg weiter nach Wickrath. Hier treffe ich auch wieder auf die Niers, die in dieser Gegend ihre ursprüngliche Quelle hatte. In Wickrath mache ich einen kleinen Stopp am malerischen Schloss; das ist heute die Nummer 4. Es liegt ebenfalls an der Niers und ist ein Wasserschloss. Schloss Wickrath beherbergt seit 2002 das Pferdezentrum; die Parkanlagen sind öffentlich zugänglich und laden zu einer gemütlichen Pause ein. 

Schloss Wickrath

Nach einer kurzen Rast mache ich mich auf den Weg. Ein wenig planlos rolle ich durch Wickrath und lande schließlich in einem Industriegebiet. Hier muss es vor kurzem ordentlich geregnet haben, denn die Strasse ist immer noch sehr nass. Mein Hinterrad schaufelt mir ordentlich Wasser in den Nacken….who cares. Irgendwie habe ich mich verfahren und so muss ich doch wieder zurück und versuche mich irgendwo seitlich in die Büsche zu schlagen. Ich habe keine Ahnung wo ich bin, ich weiß nur in welche Richtung ich möchte. Ich finde wieder einen ausgewiesenen Radweg der mich wieder auf die andere Seite der A61 bringt. Ich fahre jetzt einfach mal nach Norden mal sehen wo ich rauskomme. 
Nach einigen Kilometern ist mir es doch zu blöd und ich werfe auf dem Iphone komoot an und lasse mich per Navigation nach Hause führen. Nach 19 Kilometer nach Hause…das geht ja noch. Ich komme an eine Kreuzung, die mir sehr bekannt vorkommt. In der Nähe ist das Heimatstadion von Borussia Mönchengladbach. Dahin mache ich einen Abstecher. Vor dem Stadion mache ein eine kleine Fotosession und hier bekomme ich die ersten Tropfen Regen ab. 

Zu Besuch bei der Borussia

Jetzt aber ab nach Hause. Durch Felder und Wiesen radle ich zurück nach Viersen. Hier kenne ich mich aus und brauche mich nicht weiter auf die Navigation zu verlassen. Noch eine kurze Abfahrt in Viersen und ich habe es geschafft.


Fazit:

Eine tolle Tour. Der Niederrhein bietet wahrlich verschiedene Landschaften an und entlang der Niers kann man an verschiedenen Punkten sehr gut Rast machen. Schloss Myllendonk und Schloss Rheydt werde ich auf jeden Fall nochmal besuchen. Das nächste Mal werde ich meine Touren wohl besser planen müssen. Der Abstecher ins Unterholz war doch sehr mühselig. Hier ist ein Trike im klaren Nachteil gegenüber einem Mountainbike. Die Entfernungen sind jedenfalls kein Problem und ich freue mich schon auf die nächste Tour.


Tourdaten:

Zeit gesamt:                                                     4h 50min
Länge:                                                                 74,6km
Durchschnittsgeschwindigkeit:                    16,4km/h
Höhenmeter:                                                   336m
Temperatur:                                                     20°C


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