Der Himmel ist hellgrau, es regnet Bindfäden, das
Thermometer müht sich an der 8°C, das Holz brennt und knistert im Kamin und
verbreitet eine wohlige Wärme. Es ist…..nein nicht Herbst…Ende Mai 2013. Echt
bescheidenes Wetter. Irgendwo in Bayern ist die Schneefallgrenze auf 700m
abgesunken…verdient ist verdient. Nun ja, dann muss man sich eben an die
kleinen Frühlingsintermezzi, die Petrus immer Mal wieder stundenweise einwirft,
erfreuen. So geschehen am letzten Freitag. Morgens schon schien die Sonne von
einem fast makellosen blauen Himmel. Die Temperatur erträgliche 14°C. Ein paar
Stunden musste ich allerdings im Büro verbringen, aber um 14 Uhr habe ich dann
meine Sachen gepackt und mich ins Wochenende verabschiedet. Um halb vier saß ich dann endliche auf meinem
Wild One, die Kette geschmiert, Trinkflasche gefüllt und 2 Äpfel im Ortlieb
aber null Plan wo es denn lang gehen sollte. Also kurz den Finger in den Wind
gehalten, die Richtung geprüft und los geht’s n den Süden.
Ich wollte schon immer mal den oberen Nierslauf erkunden. Diesem kleinen
Flüsschen wurde in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht nur der
ursprüngliche Charakter geraubt, sondern auch noch die Quelle. Der
Braunkohletagebau in Garzweiler hat nicht nur hier einschneidende Folgen nach
sich gezogen. Aber dazu später mehr.
Ich brauche nur zehn Minuten von zu Hause und schon kann ich auf einen schönen
asphaltierten Weg im Schatten von Pappeln entlang der Niers radeln. Der Weg
geht schnurgerade aus, das mag etwas langweilig erscheinen, aber die Landschaft
bietet genug Abwechslung. Um in den Genuss des geteerten Weges zu bleiben muss
mich aber mal kurz vom Flusslauf verabschieden und rolle durch ein kleines
Industriegebiet in Neersen. Ich fahre an Koppeln vorbei und die Pferde beäugen
mich argwöhnisch und bleiben in Distanz zu diesem komischen Gefährt. Nach ein
paar hundert Metern sehe ich die Türme des Schloss Neersen durch die Baumwimpel
lucken. Da werde ich einen Abstecher machen. Schloss Neersen ist ein barockes
Wasserschloss, das heute das Rathaus der Stadt Willich beherbergt. Im Hof ist
man bereits mit den Vorbereitungen der Neerser Schlossfestspielen zugegen; die
Bühne ist schon aufgebaut. In den zugehörigen Parkanlagen kann man schön
gemächlich über die Wege cruisen. Hier und da steht eine Skulptur und kleine
Teiche runden das komplette Bild ab.
Schloss Neersen |
In Richtung Mönchengladbach geht es
entlang einer Landstraße weiter. Der Radweg ist in einem üblen Zustand und
fällt sehr stark zu einer Seite ab. Sehr unangenehm, wenn man in einem Trike
sitzt, da man immer auf die eine Seite rüber rutscht und sich irgendwie
festhalten muss. Aber dieser Abschnitt dauert zum Glück nicht lange und schon
treffe ich wieder auf den Niersverlauf. Am Flughafen Mönchengladbach schlage
ich mich seitwärts in die „Büsche“ und folge der Niers rechtsseitig. Hinter der
Autobahnbrücke wird das Geläuf allerdings sehr tief. Der Regen der letzten Tage
hat den Weg in ein Morastloch verwandelt. In einem kleinen Gang arbeite ich
mich durch den Schlamm. Hier ist das Trike sicherlich nicht das geeignete
Fortbewegungsmittel. Das was mir entgegenkommt scheint hier besser dafür
geeignet zu sein…Pferde. Ich bleibe einfach stehen und lasse die beiden
Vierbeiner passieren. Man merkt ihnen an, dass ihnen die Situation nicht
geheuer ist…mir übrigens auch nicht. Ich sitze verdammt tief und habe die Hufe
auf Augenhöhe und die tänzeln jetzt an mir vorbei. Die Reiter haben alle Hände
voll zu tun, die Burschen im Zaum zu halten. Wie sich später herausstellt ist
diese Seite der Niers, zwar kein ausgewiesener Reiterweg, aber er wird häufig
dafür genutzt. Das nächste Mal werde ich die andere Seite nutzen; die ist auch
in einem wesentlich besseren Zustand. Bei eine kleineren Brücke kann ich die
Seite wechseln und schon geht es auch wieder besser voran.
Auf der linken Seite sehe ich ein weiteres schönes Gebäude; Schloss Myllendonk.
Es ist ebenfalls ein Wasserschloss. In den weitläufigen Parkanlagen des
Schlosses findet man eine 18-Loch Golfanlage…naja. Ich lasse das Schloss hinter
mir und fahre weiter an der Niers entlang und plötzlich hört der Radweg auf und
ich stehe an einer Bahnlinie; und jetzt? Ich biege nach rechts ab und sehe ein
paar hundert Meter weiter eine Brücke über die Bahngleise führen. Ahh
super….aber es gibt keinen Weg auf die Brücke…so ein Mist. Wie sich später
herausstellt, hätte ich kurz hinter dem Schloss den Niersweg verlassen müssen,
um auf diese Brücke zu kommen. Also bleibt mir nichts anderes übrig als entlang
der Bahnlinie zu fahren und auf die nächste mögliche Über- bzw. Unterquerung zu
warten. Kein schöner Umweg und zu guter Letzt lande ich dann noch in einer Sackgasse
mitten in einem Industriegebiet. Ein kurzer Check auf der Karte und ich habe
wieder einen Plan wie ich aus diesem Irrgarten herauskomme. Nach ein paar
Minuten habe ich sie wieder, die Niers. Sie fliest hier durch ein kleines
Waldgebiet und ich merke nicht, dass ich am nächsten Schloss vorbeifahre;
Schloss Rheydt. Das nächste Mal werde ich hierhin einen kleinen Abstecher
machen.
Jetzt wird der Weg wieder schlechter. Ich muss Slalom zwischen großen
Wasserpfützen fahren hier und da lässt sich das Durchfahren aber nicht
vermeiden und die Vorderräder versinken fast bis zur Nabe im schlammig braunen
Wasser. Ich bleibe einigermaßen trocken nur mein 26 Zoll Hinterrad schaufelt
immer wieder Wasser, Schlamm und Sand in meinen Nacken…ich wollte es ja nicht anders.
Auf Rheydter Stadtgebiet bekommt die Niers einen Flussverlauf, der wieder an
einen Fluss und nicht unbedingt an einen Kanal erinnert. In leichten Bögen
durchschneidet sie malerische Parkanlagen mit kleinen Teichen rechts und links.
Eine Graugans, die ich beim Sonnenbaden gestört habe, faucht mich wütend an…auf
Augenhöhe…schnell weg.
Hier ändert sich plötzlich die Umgebung die Niers fließt nun durch ein
Waldgebiet. An einem Abzweig entscheide ich mich für die falsche Alternative.
Nach wenigen Metern wird der Weg immer schmaler. Ich mähe mich mit den
Vorderrädern durch die Brennnesseln und der Weg wird zusehends morastiger.
Immer öfter dreht das Hinterrad durch und mitten in einem Torfloch ist dann
auch Feierabend. Ich muss absteigen und meine Schuhe versinken sofort im Matsch
am Hinterrad ziehe ich das Wild One ca. 50 Meter durch den Morast bis ich
wieder festen Boden unter den Füssen habe. Dicke Lehmkluppen hängen an den
Schuhen und ich habe Schwierigkeiten wieder festen Halt auf dem
Magnetklicksystem der Pedale zu bekommen. Das Hinterrad ist mindestens doppelt
zu breit. Aber schön war es trotzdem durch den Urwald zu fahren. Und so
urwüchsige Landschaft keine 300m von den Reihenhaussiedlungen entfernt.
Die Niers bei Rheydt |
Es wird eng |
Von Rheydt geht es weiter nach Odenkirchen. Hier fließt die Niers mitten durchs
Stadtgebiet. Eingefasst in ein enges Betonkorsett. Entlang an schönen
bürgerlichen Häusern.
Ein Blick zum Himmel verheißt nichts Gutes. Überall ziehen stahlgraue
Wolkenbänke auf und man sieht Regenvorhänge. Ich entscheide mich den Radweg
entlang der Niers zu verlassen und südöstlich in Richtung der Wolkenlücken zu
fahren, in der Hoffnung von den heftigen Regenschauern verschont zu werden.
Die Niers in Odenkirchen |
Ich
fahre nach Hochneukirch, ein verschlafenes Dorf ohne nennenswerte Attraktionen.
Ich fahre aus dem Dorf auf einer Strasse, die als Sackgasse ausgeschildert
ist…warum den das????
Die Antwort bekomme ich circa 200m hinter dem Dorf. Urplötzlich tut sich eine
3m hohe Metallwand vor mir auf versehen mit Warnschildern. Ich kurve um die Absperrung
und stehe unvermittelt vor einem Damm. Im Hintergrund sehe ich die Aufbauten
eines großen Baggers über den Kamm ragen. Natürlich weiß ich was dahinter ist.
Vor meinen Füssen tut sich ein riesiges Loch auf….der Braunkohletagebau Garzweiler.
Hier wurde eine klaffende Wunde von unvorstellbarem Ausmaß die Landschaft
geschlagen. Dort, wo dieser riesige Bagger sich unablässig durch das Erdreich wühlt,
war früher das kleine Örtchen Holz. Nichts erinnert mehr daran. Der Ort wurde
vor 5 Jahren an anderer Stelle komplett neu aufgebaut und die Einwohner dorthin
umgesiedelt. Holz ist nur eines von vielen Dörfern und es werden noch einige Dörfer
folgen. Bis 2045 wird hier weiter Braunkohle gefördert. Danach wird das
Riesenloch mit Wasser aufgefüllt werden und ein riesiger See entsteht. Um einen
Größenvergleich zu bekommen kann man sich das untenstehende Bild anschauen.
Neben dem Abraumbagger parkt, kaum wahrnehmbar, eine Caterpillar-Raupe. Der
Größenunterschied ist gewaltig; man glaubt kaum das dieses Loch an dieser
Stelle mehr als einhundert Meter tief ist. Schwer beeindruckt verlasse ich
diesen Ort und mach mich auf den Weg zurück nach Hochneukirch und biege in der
Mitte des Dorfes in Richtung Westen ab. Der Weg führt mich jetzt am Rande des
Baggerlochs; in ein paar Jahren muss auch diese Stelle den gefräßigen
Ungeheuern weichen.
Vor dem großen Loch |
Der Blick 100 Meter tief |
Panorama Rheinisches Braunkohletagebaugebiet |
Der Blick nach Westen zeigt mir ein imposantes
Wolkenschauspiel. Dunkelgraue Wolken durchbrochen von Sonnenstrahlen. Hier und
da sieht man Regenvorhänge und auch in Richtung Heimat sieht es nach einem
mächtigen Regenguss aus. Erst einmal muss ich sehen, dass ich wieder aus diesem
Gebiet komme. In der Ferne sehe ich die A61; hier muss ich drüber und werde
dann entlang der Autobahn nach Norden fahren. Bei Wanlo überquere ich Autobahn
und fahre durch Wanlo und Wickrathsberg weiter nach Wickrath. Hier treffe ich
auch wieder auf die Niers, die in dieser Gegend ihre ursprüngliche Quelle hatte.
In Wickrath mache ich einen kleinen Stopp am malerischen Schloss; das ist heute
die Nummer 4. Es liegt ebenfalls an der Niers und ist ein Wasserschloss.
Schloss Wickrath beherbergt seit 2002 das Pferdezentrum; die Parkanlagen sind
öffentlich zugänglich und laden zu einer gemütlichen Pause ein.
Schloss Wickrath |
Nach einer
kurzen Rast mache ich mich auf den Weg. Ein wenig planlos rolle ich durch Wickrath
und lande schließlich in einem Industriegebiet. Hier muss es vor kurzem
ordentlich geregnet haben, denn die Strasse ist immer noch sehr nass. Mein
Hinterrad schaufelt mir ordentlich Wasser in den Nacken….who cares. Irgendwie
habe ich mich verfahren und so muss ich doch wieder zurück und versuche mich
irgendwo seitlich in die Büsche zu schlagen. Ich habe keine Ahnung wo ich bin,
ich weiß nur in welche Richtung ich möchte. Ich finde wieder einen
ausgewiesenen Radweg der mich wieder auf die andere Seite der A61 bringt. Ich
fahre jetzt einfach mal nach Norden mal sehen wo ich rauskomme.
Nach einigen Kilometern ist mir es doch zu blöd und ich werfe auf dem Iphone
komoot an und lasse mich per Navigation nach Hause führen. Nach 19 Kilometer
nach Hause…das geht ja noch. Ich komme an eine Kreuzung, die mir sehr bekannt
vorkommt. In der Nähe ist das Heimatstadion von Borussia Mönchengladbach. Dahin
mache ich einen Abstecher. Vor dem Stadion mache ein eine kleine Fotosession und
hier bekomme ich die ersten Tropfen Regen ab.
Zu Besuch bei der Borussia |
Jetzt aber ab nach Hause. Durch
Felder und Wiesen radle ich zurück nach Viersen. Hier kenne ich mich aus und
brauche mich nicht weiter auf die Navigation zu verlassen. Noch eine kurze Abfahrt
in Viersen und ich habe es geschafft.
Fazit:
Eine tolle Tour. Der Niederrhein bietet wahrlich verschiedene Landschaften an
und entlang der Niers kann man an verschiedenen Punkten sehr gut Rast machen. Schloss
Myllendonk und Schloss Rheydt werde ich auf jeden Fall nochmal besuchen. Das
nächste Mal werde ich meine Touren wohl besser planen müssen. Der Abstecher ins
Unterholz war doch sehr mühselig. Hier ist ein Trike im klaren Nachteil
gegenüber einem Mountainbike. Die Entfernungen sind jedenfalls kein Problem und
ich freue mich schon auf die nächste Tour.
Tourdaten:
Zeit
gesamt:
4h 50min
Länge:
74,6km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,4km/h
Höhenmeter:
336m
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